Eine fast perfekte Atlantiküberquerung

Am Samstagmorgen des 6. Mai 2017 treffen wir die letzten Vorbereitungen auf dem Schiff um die Atlantiküberquerung antreten zu können. Dazu gehört das Verstauen des Dinghis und der Dieselkanister sowie das Wegräumen aller losen Dinge im Schiff, welche sich sonst bei den Wellen selbständig machen würden. Getankt haben wir bereits einen Tag zuvor. Wir führen 420 Liter Diesel mit uns, das reicht für ungefähr eine Woche lang motoren. Der Wetterbericht für die kommende Woche sieht sehr gut aus. Der Ostwind nördlich der karibischen Inseln hat bereits eine leicht südliche Komponente erhalten. Weiter oben über dem Nordatlantik sitzt ein Tief fest, an dessen Südrand wir mit achterlichen Winden Richtung Osten zu segeln gedenken. Unser Plan sieht vor, zuerst nördlich zu segeln und nur so viel östlich, dass wir nicht zu hart am Wind sind und noch genügend Geschwindigkeit machen. Wir heben also um Punkt 12 Uhr karibischer Zeit (16 Uhr Azoren Sommerzeit) den Anker. Die Island Lady liegt ebenfalls in der Marigot Bay auf St. Martin vor Anker, sie wollen eine Woche später auch zur Überquerung starten. Wir drehen eine Abschiedsrunde bei ihnen, dann geht’s los!

Nachdem wir uns hart am Wind aus dem Kanal zwischen St. Martin und Anguilla herausgekämpft haben, setzen wir Kurs 10° und segeln weg von der Karibik. Ein paar Meilen später sehe ich hinter uns noch ein weiteres Schiff aus dem Kanal heraussegeln. Dem AIS entnehme ich, dass es sich um die Elder handelt, ähnlich lang wie unser Schiff. Da sie einen östlicheren Kurs einschlagen, verlieren wir sie bald hinter der Kimm aus den Augen. Na dann, auch euch gute Überfahrt!

Am Abend ist uns noch nicht nach kochen zumute, wir essen individuell, Brot und so. Bereits am zweiten Tag ist dann das anfängliche Unwohlsein verschwunden, ab jetzt kochen wir jeden Tag ein feines Gericht. Ich starte mit einem Gemüsegratin und Schweinsfilet. Am dritten Tag dreht der Wind bereits leicht nach Süden und wir fahren nun ungefähr Kurs 30°. Was auch auffällt ist dass die Temperatur in der Nacht bereits etwas kühler geworden ist. Peter kocht leckeren Ratatouille zum Abendessen.

Die Nachtwachen gestalten wir meist so dass Peter irgendwann nach dem Abendessen schlafen geht und ich die erste Wache übernehme. Im Dreistundenrhythmus wechseln wir uns ab, insgesamt vier Schichten. Anschliessend Morgenessen, Kaffee, Freizeit, Spanisch lernen, Funkrunde, Wetterdaten abholen, am Mittag Etmal notieren, danach die Sonne geniessen, Apero essen, fischen, kochen, dinieren und zwischendurch mal die Segelstellung anpassen. Am vierten Tag gibt’s ein Festmahl: Zuerst einen Tomaten Gurken Salat, danach Hohrückenfilet mit Zucchetti und Nudeln. Wir feiern dass es so gut läuft. Bislang total relaxtes Schönwettersegeln. Am fünften Tag müssen wir für ein paar Stunden den Motor zu Hilfe nehmen. Dies haben wir erwartet, da sich zwischen der Passatwindzone und dem Tief über dem Nordatlantik eine Flautenzone erstreckt. Wir nutzen das ruhige Wetter um den Wassertank wieder zu füllen und um die Bullentalje zu montieren. Die werden wir früher oder später brauchen, da der Wind mehr und mehr aus achterlicher Richtung kommt. Bereits am Mittag ist die Flaute wieder vorbei und wir segeln gemütlich bei halbem Wind weiter. Unser Kurs führt uns jetzt bereits fast direkt nach Horta. Nach einem feinen Apero gibt’s Süsskartoffeln, Zucchetti und Spiegelei zum Znacht. In der Nacht zeigt sich dann der Vollmond von seiner schönsten Seite. Eindrucksvoll sind auch die Wetterleuchten in der zweiten Nachthälfte, die wir in diversen Gewitterzellen um uns herum entdecken.

Am Morgen des sechsten Tages ist der gesamte Himmel hinter uns dunkelgrau und die Wand rückt näher. Peter weckt mich um 7 Uhr. Wir starten den Motor und bergen die Segel. Der Squall bringt viel Regen und Böen, trotzdem hätten wir das Segel stehen lassen können. Das Ding sah aber ziemlich bedrohlich aus, man weiss ja nie… Wenigstens ist nun das ganze Salz runtergewaschen und unser Schiff wieder sauber. Kaum ist der Spuk vorbei scheint wieder die Sonne. Der Squall hat zudem eine Änderung der Windrichtung mit sich gebracht. Der Wind kommt jetzt soweit von achtern, dass wir das Vorsegel nicht mehr so stehen lassen können. Das Grosssegel würde dem Vorsegel den ganzen Wind wegnehmen. Die Lösung heisst Schmetterling. So nennt man es wenn die beiden Segel auf unterschiedlicher Schiffsseite gesetzt werden.

Plötzlich entdecke ich ein Segelschiff am Horizont. Ich kann es kaum glauben als ich auf dem AIS den Namen Elder ablese, Distanz nicht mal drei Meilen hinter uns. Es ist schon ein Zufall, dass man mitten im Atlantik ein anderes Segelschiff trifft, dass es dann auch noch eines ist, das St. Martin auch nur ein paar Meilen hinter uns verlassen hat ist schon erstaunlich. Wir funken ein bisschen miteinander über UKW. Elder ist ein Schwedisches Segelschiff, ein bisschen grösser als unser Schiff. Sie sind ebenfalls Ende letzten Jahres über den Atlantik gesegelt um eine Saison in der Karibik zu verbringen. Wir verabreden uns für eine tägliche Funkrunde über Kurzwelle. Erstaunlich ist auch wie ähnlich schnell unsere beiden Schiffe sind. In den kommenden Tagen werden wir stets nur 10 bis 20 Meilen auseinanderliegen. Das reicht zwar nicht für Sichtkontakt, aber nah ist es trotzdem.

Am siebten Tag kommt dann wieder ein Regenschauer auf uns zu. Da er sehr schnell kommt, haben wir kaum Zeit um die Schotten zu schliessen und werden noch halb verregnet. Später kündigt sich dann noch ein zweiter Regenschauer mit einer dunkelgrauen Wand an. Diesmal bin ich vorbereitet, stehe in komplettem Ölzeug und Gummistiefel draussen um bei viel Wind reagieren zu können, rolle die Genua ein und warte auf den Squall. Er lässt sich viel Zeit, und als er endlich kommt, nimmt die Windgeschwindigkeit eher noch ab. Ausser dass ich wieder ganz verregnet wurde (diesmal wenigstens geschützt) hat die Aktion nichts gebracht. So ein Reinfall. Egal, ich mache erstmal ein frisches Brot und will dann einen Pizzateig machen. Offenbar will der Pizzateig aber nicht gemacht werden. Die erste Schüssel mit Mehl drin fliegt bei einer besonders fiesen Welle auf den Boden. Kein Problem für unseren Dyson. Nächster Versuch. Der Teig gelingt tatsächlich. Ich verteile ihn auf dem Blech. Das Blech liegt auf dem Kochherd, hinten durch die Wand und vorne durch einen hochstehenden Bügel geschützt. Als nächstes kommt die Tomatensauce drauf. Während ich das leere Tetrapack weglege, kommt die nächste fiese Welle. Der kardanisch aufgehängte Herd neigt sich so ungünstig, dass das Blech nach hinten in den Spalt zwischen Herd und Wand runterfällt. Etwa ein Drittel der Tomatensauce fällt auf den Boden darunter, der Rest hat sich astrein auf dem Teig verteilt. Ich hätte es von Hand niemals so perfekt hingekriegt. Peter lacht sich kaputt. Wenigstens ist die Pizza lecker.

Die Nacht wird sternenklar. Wir rauschen bei 5 Windstärken und wenig Wellen mit über 7 Knoten unserem Ziel entgegen. Irgendwo am Horizont sehe ich das Positionslicht der Elder. Wir kommen insgesamt sehr gut voran. Als ich am nächsten Mittag das Etmal notiere, stelle ich einen neuen Rekord fest seit wir Golden Breeze haben: 165 Seemeilen in 24 Stunden. Damit schlagen wir unseren bisherigen Rekord von 164 Meilen bei der Hinfahrt Richtung Karibik. Zudem sind wir jetzt genau eine Woche unterwegs und feiern dies mit einem guten Essen. Als wir am Nachmittag draussen sitzen, scheint die Sonne und eine Dünung mit ungefähr 4 Meter hohen Wellen zieht sanft unter uns vorbei. Golden Breeze hebt und senkt sich langsam während die Sonne kupfer-goldig im Wasser glitzert. Bis jetzt war die Reise in jeder Hinsicht ein Top Erlebnis, wir geniessen sie total. Zudem stellen wir die Zeit um zwei Stunden vor, damit es abends wieder ein bisschen länger hell bleibt. Auf den Azoren werden wir dann nochmals zwei Stunden vorstellen, dann stimmt die Zeit wieder.

Am neunten Tag, es ist Sonntag, machen wir uns zuerst ein ausgiebiges Sonntagsfrühstück. Das Wetter zeigt sich nach wie vor von seiner schönsten Seite und der gute Wind treibt uns voran – ein Traum. Um drei Uhr liegen wir im Cockpit und fangen an zu besprechen was wir fürs Nachtessen zubereiten sollen, wir feiern heute 1000 zurückgelegte Seemeilen! Um halb vier, nach dem zweiten Bier, halten wir fest, dass wir vermutlich Schweinsfilet machen. Wir haben vor der Überquerung ein 10er Pack Schweinsfilet gekauft und jeweils zwei Stück zusammen eingeschweisst. In dem Moment hören wir ein Geräusch: TRRRRRRRRRRRR….. Die Angelrolle läuft, ein Fisch hat angebissen! Nach einer halben Minute war’s das aber schon, der Fisch konnte sich befreien. So ein Mist. Unser Festmahl ist deshalb Schweinsgeschnetzeltes an Rahmsauce, dazu Kürbis, Nudeln und Rotwein – begleitet von Jazzlieder von James Darren. Ein ausgezeichnetes Mahl. Später, nachdem die Sonne untergeht, wird es jetzt schon empfindlich kalt draussen. Die warmen Karibiktemperaturen sind definitiv vorbei.

Am Montag herrscht Flaute. Das alte Tief ist weg, das Neue noch nicht da. Bei ruhiger See und sonnigem Wetter motoren wir den Azoren entgegen. Es wird ein Arbeitstag. Wassertank füllen, Wäsche waschen, zwei Mastreiter flicken, zwei Dieselkanister tanken, staubsaugen und Boden aufnehmen. Am Nachmittag Festapero: Bier, Rüebli, Crackers, Oliven, Salami, Rootbeer. Wir feiern dass wir die halbe Distanz unserer Reise zurückgelegt haben.

Wir laden eine Übersichtskarte vom Wetter über dem Nordatlantik herunter. Sie zeigt ein neues Tief, das uns in den nächsten Tagen beschäftigen wird. Es scheint nicht besonders stark zu werden. Deshalb behalten wir unseren direkten Kurs nach Horta bei statt nach Süden auszuweichen. Am Himmel zeigt sich ein Halo, ein Zeichen für das heranziehende Tief. In der kommenden Nacht setzt dann der Wind langsam wieder ein. Um halb fünf entdecke ich die Positionslichter eines anderen Segelschiffes. Es hat, wie wir, keinen AIS Sender, aber dem Radar entnehme ich, dass das andere Schiff nur 1.7 Meilen entfernt ist und sich genau querab befindet. Kurze Zeit später ist es dann noch knapp eine Meile entfernt, immer noch genau querab. Kollisionskurs! Auf dem anderen Schiff scheint niemand zu reagieren. Ob die wohl schlafen und sich nur auf das AIS verlassen? Ich verlangsame das Tempo und lasse das Schiff vorne unseren Kurs kreuzen. Bald darauf ist es auch schon wieder hinter dem Horizont verschwunden. Merkwürdige Begegnung. Am gleichen Morgen haben wir einen weiteren wichtigen Punkt erreicht: Noch 1000 Seemeilen bis zum Ziel, wieder etwas zu feiern. Es wird ein entspannter Segeltag, kaum Welle, leicht vorlicher Wind. Wir feiern erstmal mit Thon-Brötchen als Zwischenmahlzeit. Danach will ich mich für ein Stunde hinlegen um etwas auszuruhen. Als ich am Abend um 20:20 Uhr erwache, habe ich über vier Stunden tief und fest geschlafen. Der chronische Schlafmangel hat seinen Tribut gefordert und das Festmahl fällt somit aus.

Der zwölfte Tag wird ein ereignisreicher Tag mit Folgen. Während wir gemütlich dahingleiten: TRRRRRRRRRRRR….. Fisch! Ich gehe an die Rolle. Oha, da kämpft aber einer ziemlich stark. Ich übergebe die Rolle an Peter und hole Hammer, Filetiermesser, Salz und einen Teller. Bald danach ist der erschöpfte Fisch zum Schiff geholt und wir hieven ihn ins Cockpit. Ich kann es kaum glauben, ein Prachtstück von einem Mahi Mahi, 77 cm lang. Der verhältnismässig kleine Teller daneben wirkt etwas deplatziert. Nun gut, an die Arbeit. Es ist gar nicht so einfach so ein riesen Ding zu filetieren. Die kleineren Fische konnte man in einer Hand halten und mit der anderen Hand schneiden, aber bei diesem Ding? Irgendwie schaffe ich es schlussendlich. Die beiden Filets sind riesig und ich halbiere sie, so dass wir vier immer noch sehr grosse Stücke haben. Heute und morgen gibt’s also Fisch.

Der Nachmittag ist dann weniger angenehm. Auf einmal höre ich einen Knall, und als ich aus dem Fenster vorne schaue, sehe ich dass mehrere Drähte eines Unterwants gerissen sind und sich gerade abwickeln. Das gibt’s doch nicht. Es ist besonders ärgerlich, da wir dieses Want erst sechs Monate zuvor in Las Palmas ausgetauscht haben. Der Kern des Drahtseils besteht aus massiveren Drähten als die gebrochenen Drähte aussen und diese scheinen wenigstens noch in Ordnung zu sein. Wir sichern erstmal das Want mit einer Leine. Trotzdem ist an weiteres Performance-Segeln jetzt nicht mehr zu denken. ********* *****! Wie dem auch sei, das Tief hat sich weniger stark ausgeprägt als erwartet. Wir haben in den kommenden Tagen eher zu wenig Wind und lassen oft den Motor laufen. Den ganzen Weg können wir nicht unter Maschine zurücklegen, dafür ist nicht genügend Diesel vorhanden. Aber bei dem achterlichen Wind können wir eigentlich immer das Gross im zweiten Reff stehen lassen und ab und zu sogar noch die Fock dazu nehmen. Das ergibt dann etwa vier bis fünf Knoten Speed. Dafür fahren wir unter Maschine mit jeweils fast sechs Knoten und können so die miserablen Etmale ein bisschen pimpen. Nachdem wir uns mit der Situation abgefunden haben, lassen wir uns den Abend nicht verderben und essen ein leckeres Fischmenü mit gekühltem Rose. Der Mahi Mahi schmeckt einfach köstlich!

Der 13. Tag bringt wieder viel Sonne, einen erneuten Halo und wenig Wind, aber es reicht für 4 Knoten Fahrt. Wir essen die zweite Fischportion. Auf Fischen verzichten wir heute, da wir morgen noch die letzte Portion Schweinsfilet essen wollen. Der 14. Tag bringt Flaute. Elder hat schon viele Delfine und sogar Wale gesehen, wir bisher leider nichts. Ich verbringe einen Grossteil des Nachmittags auf dem Vordeck und halte Ausschau, aber es zeigt sich leider nichts. Je näher wir zu den Azoren kommen, desto höher ist die Wahrscheinlichkeit für Sichtungen. Als wir am Abend den Fleischbeutel öffnen, riecht das Fleisch schlecht. Zwei Wochen im Kühlschrank waren wohl doch zu lange, selbst vakuumverpackt. Das Filet wandert über Bord und wir lassen die Angelschnur ins Wasser. Da es schon bald sieben Uhr ist und wir nicht mehr viel Frischwaren haben, kochen wir unser erstes Dosengericht: Chili con carne. Schmeckt ganz ok und ist ja auch mal schön wenn man in fünf Minuten gekocht hat. Kaum haben wir fertig gegessen: TRRRRRRRRRRRR….. Danke Fisch, hättest auch vor dem Essen anbeissen können. Egal, morgen brauchen wir auch was zu essen. Wir holen eine etwa 45 cm lange Makrele aus dem Wasser, perfekte Grösse für eine Mahlzeit und auch ein sehr feiner Fisch.

Am 15. Tag, es ist Samstag, sind wir genau zwei Wochen unterwegs. Heute haben wir die 500 Meilen Marke unterschritten, Horta kommt langsam in Griffweite. Der oberste Mastrutscher hat sich wieder vom Segel losgerissen. Diesmal reparieren wir ihn mit Segelwachsschnur, das sollte halten. Es bleibt den ganzen Tag bedeckt und die Maschine schiebt uns vorwärts. TRRRRRRRRRRRR….. Kurz vor dem Nachtessen rasselt wieder die Fischerrolle. Wir holen noch eine Makrele aus dem Wasser, aber diesmal mindestens 50 cm gross. Die beiden Filets wandern in den Kühlschrank, danach essen wir die Makrele vom Vortag.

Unterdessen habe ich noch einen Bericht über die Azoren gelesen. Es hört sich fantastisch an und ich freue mich total auf eine neue Inselwelt. Das deckt sich auch mit Aussagen von anderen Seglern, die bereits die Azoren besucht haben. Die Inseln werden oftmals als die Schönsten ihrer ganzen Reise bezeichnet. Zum Glück haben wir Zeit und müssen nicht, wie viele andere Segler, gleich weiter nach Europa.

Am 16. Tag geniessen wir erstmal ein Sonntagsfrühstück mit Spiegeleiern und motoren weiter Richtung Horta. Am Nachmittag scheint wieder die Sonne. Trotzdem ist es jetzt draussen im Wind bereits tagsüber unangenehm kalt. Wir trinken ein Carib Bier und erinnern uns an die warmen karibischen Temperaturen. Fürs Nachtessen hat der Wind gerade so viel zugenommen, dass wir den Motor ausschalten können. Endlich wieder Ruhe. Die Makrelen Filets sind aussergewöhnlich fein. Da wir für morgen Abend stärkere Winde und Wellen erwarten und dann wohl nicht gross kochen werden, essen wir den ganzen Fisch (450 Gramm pro Person). Als Beilage haben wir Süsskartoffeln mit Rüebli, dazu gekühlten Rose. Musikalisch wird der Abend mit Musik im Stil von Glenn Miller abgerundet. Der Abschluss bildet ein Gläschen Mount Gay Ron aus Barbados. Was für ein Festessen! Und das Ganze während uns Golden Breeze ohne zu Murren Meile für Meile weiter dem Ziel näher bringt. Manchmal ist segeln schon was Tolles! Ein spezielles Schauspiel zeigt sich noch in der Dunkelheit hinter unserem Schiff. Es ist ja normal, dass wir im Dunkeln im Wasser ständig diese kleinen leuchtenden Punkte sehen, irgendwelches Leucht-Plankton, doch direkt hinter dem Schiff zeigt sich heute eine wahre Licht-Autobahn. Als ob ein Scheinwerfer unter dem Schiff montiert wäre und nach hinten leuchten würde. Es sieht fantastisch aus!

Erwähnenswert ist noch unser Windpilot. Das Gerät ist eigentlich dazu da, selbständig und ohne Strom das Schiff zu steuern – kurz gesagt ein Muss auf kleineren bis mittleren Fahrtenyachten. Wir haben ihn auf der Hinfahrt über den Atlantik praktisch pausenlos benutzt. Zwischen den Inseln der Karibik haben wir dann jeweils auf den elektrischen Autopiloten zurückgegriffen. Das Handling ist unendlich viel einfacher (ein Knopfdruck genügt) und vor allem steuert er viel genauer. Der Hauptgrund für den Windpiloten ist eben dass er keinen Strom benötigt. Ich habe in der Karibik noch alles für dessen Einsatz bereit gemacht. Als wir losfuhren und aus dem Kanal aufkreuzten, haben wir der Einfachheit halber den elektrischen Autopiloten benutzt. Dies haben wir auf der ganzen Reise so beibehalten, der Windpilot war nicht eine Sekunde in Betrieb. Wieder einmal hat es sich bezahlt gemacht, dass wir ausreichend dimensionierte Solarpanels und Batterien haben. Es wurde nicht ein einziges Mal knapp mit Strom.

Der Montag beginnt mit Wind um 20 Knoten. Laut Wetterbericht wird uns am Abend und in der ersten Nachthälfte eine Front überholen, die Winde bis zu 30 Knoten, Böen, Wellen und Regen mit sich bringt. Unter anderen Umständen würde uns solch ein Wind wieder Traumetmale bescheren, doch mit dem lädierten Rigg freue ich mich nicht gerade drauf. Heute entdecke ich noch eine kleine Schildkröte im Wasser, die nur wenige Meter entfernt an unserem Schiff vorbei treibt. Wenn schon keine Delfine zu sehen sind, dann wenigstens eine süsse Schildkröte. Was wir hingegen während fast der ganzen Reise immer wieder sehen sind Segelquallen. Diese sind jeweils 5-10 cm lang und treiben mit einer Art Segel auf der Wasseroberfläche mit darunter hängenden Tentakeln. Am späten Nachmittag kommen dann die ersten Windböen im Bereich 25 bis 30 Knoten. Die Wellen steigern sich auf vier Meter, das Schiff rollt unangenehm stark. Manchmal ist segeln schon mühsam! Wir sind froh, dass wir jetzt nicht noch ein aufwändiges Fischgericht zubereiten müssen und begnügen uns mit einem weiteren Gericht aus der Dose: Makkaroni mit Beef-Sauce. Schmeckt ziemlich gut. Später in der Nacht, Peter hat gerade Wache, bläst es dann ziemlich stark. Trotz minimalem Segel sind wir mit über 7 Knoten unterwegs. Offenbar hat der Wind aber noch nicht genug und zieht für zehn Minuten nochmal alle Register. Peter erzählt mir die Geschwindigkeitsanzeige sei kaum mehr unter 8 Knoten gefallen. Unheimlich, eigentlich kann unser Schiff gar nicht so schnell fahren…

Der 18. Tag ist der letzte komplette Tag auf See, morgen kommen wir in Horta an. Der heutige Tag entschädigt uns für sämtliche Mühen der letzten 24 Stunden, ach was, der ganzen Reise. Nach ein paar Restwolken setzt sich die Sonne definitiv wieder durch und beschert uns gemütliches Segeln bei etwa 5 Knoten. Dann endlich: Delfine gesichtet! Zuerst nur etwa drei, kurz darauf segeln wir in eine ganze Schule von etwa 20 Delfinen. Was für anmutige und verspielte Tiere! Sie schwimmen mit Golden Breeze um die Wette (nicht dass wir auch nur den Hauch einer Chance hätten) und springen in den Wellen. Ich stehe fasziniert am Bug und lasse die Kamera rattern. Von ungefähr 200 geschossenen Bildern wird dann sicher eines brauchbar sein. Bald sind sie wieder weg. Am Mittag haben wir noch die letzte Funkrunde mit Elder, welche in etwa zwei Stunden in Horta ankommen wird. Offenbar hat die Front sie noch schlimmer erwischt, selbst jetzt kurz vor der Ankunft sei es noch stürmisch. Am Nachmittag dann schon wieder Delfine. Eindrücklich sind auch die hohen Piepstöne, welche die Delfine von sich geben. Man hört sie selbst wenn die Tiere im Wasser sind. Kurz darauf, wir liegen gerade in der Sonne, höre ich in der Nähe ein zischendes Geräusch! Ich traue meinen Augen kaum: Ein Wal ist etwa 100 Meter hinter uns aufgetaucht und lässt ein paar Mal eine Wasserfontäne steigen. Danach verschwindet er wieder in der Tiefe. Auch das noch, kann der Tag noch besser werden? Die verspielten Delfine haben offenbar noch nicht genug. Im Verlaufe des Nachmittags kommen noch drei weitere Male Delfine zum Wettschwimmen vorbei. Für das letzte Nachtessen unterwegs bereiten wir Pici mit Tomatenstücken, gerösteten Pinienkernen, Knoblauch und Grana Padano Käsesplittern zu. Ein sehr feines Abschlussessen! Während ich in meiner ersten Nachtschicht die Bilder für diesen Bericht aufbereite, kommt dann das nächste Erlebnis: Delfine. Nicht dass ich im Dunkeln etwas sehen könnte, aber man hört die hohen Töne durch die Schiffswand hindurch. Unglaublich!

Am 19. Tag, es ist Mittwoch, der 24. Mai 2017, werden wir in Horta auf der Azoreninsel Faial ankommen. Bis zur Ankunft dauert es noch etwa zwei Stunden. Die ganze Überfahrt wird somit etwa 17 Tage und 18 Stunden gedauert haben. Unsere gefahrene Distanz beträgt 2342 Seemeilen. Selbstverständlich freue ich mich riesig auf den Landgang, jedoch geht auch eine unglaublich tolle Überfahrt zu Ende, die zwar den einen oder anderen Dämpfer mit sich brachte, aber zweifellos zu meinen schönsten Segelerlebnissen zählt.

Vorher:

Nachher:

3 Gedanken zu „Eine fast perfekte Atlantiküberquerung“

  1. Liebe Golden Breeze!
    Der Nordatlantik ist nicht einfach zu nehmen! Dort zu segeln ist, wie du weisst, eine Herausforderung. Es ist richtig schön, dass du wieder eine so grosse Reise so gut geschafft hast! Gratuliere von Herzen! Du wurdest aber auch gut und umsichtig gesegelt. Ich hoffe dass du, zusammen mit deinem Kapitän und seiner Crew, noch viele weitere Segelträume verwirklichen kannst.
    Auch dir lieber Philipp, meine ganze Achtung für die gute Leistung. Ich meine damit das nautische aber auch das literarische: Fesselnd erzählt und genussreich zu lesen.
    Ich hoffe, dass das noch einige Zeit so weiter geht.
    Ganz herzliche Grüsse
    Wie immer euer
    Marcel

  2. Hi Philipp

    We are now i Dover waiting for favourable winds to Cuxhafen.
    Sorry that we missed to see you before we left Horta.
    The passage to Falmouth went fine but we needed to go by engine for almost 4 days.
    Weather right now here, cold and rain so your decision to sail south seems like a good idea.
    Hope that you and your wife will have a safe and nice sailing south.
    Best regards
    Tomas and Margit
    S/Y Elder

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