Drei Monate waren wir auf den Azoren, sie sind es definitiv wert. Von den neun Inseln besuchten wir fünf, vier davon mit unserem Schiff. Geografisch werden die Azoren in drei Gruppen aufgeteilt. Von Westen her kommend trifft man zuerst auf die westliche Gruppe, welche Flores und Corvo beinhaltet. Diese Gruppe liessen wir bei der Atlantiküberquerung aus und segelten direkt zur Insel Faial, welche zur zentralen Gruppe gehört. Ebenfalls zu dieser Gruppe gehören Pico, São Jorge, Graciosa und Terceira. Schliesslich gibt es noch die östliche Gruppe mit den Inseln São Miguel und Santa Maria. Je weiter man östlich geht, desto trockener und wärmer wird das Klima. Insbesondere auf den Inseln der westlichen Gruppe muss man mit viel Regen rechnen, auch im Sommer. Demgegenüber bietet zum Beispiel São Miguel, wo sich auch die Hauptstadt der Azoren Ponta Delgada befindet, besseres Wetter. Deshalb und auch aufgrund der spektakulären Landschaft finden sich dort wohl am meisten Touristen ein. Was
jedoch alle Azoren-Inseln gemeinsam haben, ist die tendenziell hohe Luftfeuchtigkeit von 80% und höher. Nicht nur wir litten teils darunter, auch unser Schiff bekam die Feuchtigkeit zu spüren. Zum Teil wurden Kleider in den Schränken feucht und muffig oder es setzte sich Schimmel unter den Bodenbrettern an. Diese Probleme gehören nun hoffentlich der Vergangenheit an.
Faial
Wie im letzten Blog-Eintrag angekündigt, kamen Peter und ich am 24. Mai in Horta auf Faial an. Horta ist die Stadt der Segler, da praktisch jedes Segelschiff, welches den Atlantik überquert, hier halt macht. Peter blieb noch eine Woche, bevor er nach Hause flog. Eine Bekannte von ihm, die auf Faial lebt, fuhr uns an einem sonnigen Tag mit dem Auto zur Caldera hoch. Die eindrückliche Caldera hat einen Durchmesser von zwei Kilometern und ist ca. 400 Meter tief. Am Kraterrand führt ein dreistündiger Wanderweg herum, welcher tolle Aussicht auf alle Seiten der Insel und in den Krater bietet.
Typisch für die Azoren sind die vielen blau-violetten Hortensien, welche oft die Strassen und Weiden säumen und den Sommer über blühen. Ende Mai war es noch etwas kalt und regnerisch auf Faial, die Blütezeit ging erst zögerlich los. Später sahen wir dann aber zum Teil riesige Büsche in voller blauer Pracht, welche einen wunderschönen Anblick boten. Die Farbe der Hortensien wird durch den PH-Wert im Boden bestimmt. Für Hobbygärtner lässt sich die Farbe durch beigeben von Chemikalien beeinflussen, das allgegenwärtige Blau auf den Azoren liegt aber nicht etwa an einem Chemie-Unfall sondern eher an der vulkanischen Erde.
Nach Peters Abreise dauerte es noch knapp drei Wochen, bis ich endlich Anne wieder am Flughafen von Faial „in Empfang nehmen durfte“. Ich nutzte die Zwischenzeit davor, um einige kleine Arbeiten und Reparaturen am Schiff durchzuführen und ab und zu beim berühmten Peters Cafe Sport ein Bier zu trinken. Pleuni und Jouke von der SY Island Lady trafen nach einem Zwischenstopp in Flores ebenfalls in Horta ein. Auf der Überfahrt hatten sie gleich vier Thunfische gefangen, zum Welcome-Apero gab es also äussert leckeres Sashimi. Zudem genossen wir die Abende oftmals mit einem feinen Barbecue.
Die Stimmung im Hafen ist gänzlich anders als z.B. in irgendeinem Mittelmeerhafen, wo üblicherweise Urlauber für eine oder zwei Wochen hinfliegen und Ferien auf ihrem Hochglanzschiff machen. Das ist natürlich ein bisschen überspitzt ausgedrückt, aber trotzdem ist der Kontrast zu Horta markant. Hier finden sich vor allem Fahrtensegler ein, deren Schiffe die unterschiedlichsten Bauformen aufweisen. Typische Erkennungsmerkmale sind Windgeneratoren, Windsteueranlagen, Solarpanels, Schiffe aus Stahl oder Aluminium, Sonnensegel und vieles mehr.
Ein riesiger historischer Schatz bieten die Hafenmauern von Horta. Es ist für Segler, die in Horta Halt machen, üblich, ein eigenes Bild an die Hafenmauer zu malen. Eine Spaziergang entlang der Bilder ist unglaublich spannend und erzählt viele kleine Geschichten. Normalerweise verblassen die Bilder im Laufe der Jahre, da sie vor allem im Winter extremen Wetterbedingungen ausgesetzt sind. So entsteht aber auch immer wieder Platz für neue Bilder. Da Seefahrer von Natur aus abergläubisch sind, hält sich natürlich die Mär, dass es Unglück bringt wenn man kein Bild an die Mauer malt. Ich glaube zwar nicht daran, trotzdem haben aber auch wir diesen schönen Brauch gepflegt und ein Bild gemalt. Für Kenner haben wir einen Hinweis auf die Marke unseres Schiffes aufgemalt: Die roten beiden Dreiecke, welche offenbar zwei Segel darstellen, sind das Logo von Motiva Yachts.
Ein besonderer geologischer Leckerbissen bietet der Vulkan Capelinhos am westlichen Ende der Insel. Der Vulkan brach 1957 knapp vor der Küste aus und führte zu einer massiven Abwanderung der Bevölkerung, vorwiegend in die USA, da diese ein spezielles Hilfsprogramm einführten. Eine Folge war, dass sich das Westende der Insel weiter nach Westen verschob und der ehemalige Leuchtturm zur Hälfte mit Asche überschüttet wurde und jetzt ein bisschen deplatziert mitten im Land steht. Erst vor rund 10 Jahren wurde im ausgegrabenen Gebäude ein sehr spannendes Museum eröffnet. Von einer Wanderung auf den Vulkan wird explizit abgeraten (auf eigene Gefahr). Trotzdem gibt es ein kleines Netzwerk an Wegen, die auf den Vulkan führen und die auch gerne von den Besuchern benutzt werden. Auch wir gingen hoch und wurden mit einer spannenden Vulkanlandschaft belohnt.
Einige der nach Amerika ausgewanderten Leute kamen im Laufe der Jahrzehnte zurück nach Faial. Deshalb sieht man in den Gärten der Häuser oft eine amerikanische Flagge wehen. Auch die Idee der in Amerika beliebten Erholungspärke mit Grillstellen brachten sie mit zurück. Man findet die sogenannten Parque de Merendas oder Reserva Florestal de Recreio überall auf den Inseln.
Gleich südlich von Horta gibt es ebenfalls eine Halbinsel, welche durch einen Vulkan entstanden ist. Wie die meisten dieser Orte steht sie unter Naturschutz und bietet der Fauna einen ausgezeichneten Lebensraum.
Pico
Auf Pico gibt es einen leicht bösen Spruch über die Nachbarinsel Faial: „Das Schönste an Faial ist die Aussicht auf Pico“. Ob es wirklich das Schönste ist sei dahingestellt, doch gewiss ist die Aussicht einmalig. Pico auf der gleichnamigen Insel ist mit 2’351 Metern der höchste Berg Portugals. Eine Besteigung ist mit einem Führer möglich, doch da uns nach dem ausgedehnten Karibikurlaub etwas das Training fehlte, verzichteten wir darauf. Trotzdem statteten wir der Insel einen kleinen Tagesbesuch ab. Mit der Fähre ist sie in einer halben Stunde von Horta aus erreichbar.
Ein Besuch lohnt sich auch wegen der Weingärten, die zum Weltkulturerbe der UNESCO gehören. Nach grossen Vulkanausbrüchen vor 300 Jahren wurde viel Lavagestein über die Landschaft geschleudert und verhinderte somit ein Anbau. Man fing also an, die grossen Brocken zu grossen Haufen aufzuschichten und mit den kleineren Brocken kleine Mauern zu bilden. Es entstanden viele kleine Parzellen, jeweils nur ein paar Meter gross, in denen man Weintrauben anpflanzte. Die Steinmauern halten einerseits den salzhaltigen Wind von den niederen Pflanzen fern und sorgen auch für ausgeglichene Temperaturen, da die dunklen Steine sich tagsüber aufwärmen und die Wärme in der Nacht wieder an die Pflanzen abgeben.
São Jorge
Am 11. Juli verliessen wir schliesslich Horta und segelten / motorten zur nächsten Insel São Jorge. Wir blieben in der Marina in Velas ca. eine Woche. São Jorge ist vor allem als Wanderinsel bekannt, viele touristische Attraktionen findet man hier nicht. Um trotzdem etwas von der Insel zu sehen, mieteten wir einen Roller und fuhren damit die Insel ab. Leider war von der schönen Landschaft oftmals nicht allzu viel zu erkennen, da es besonders in den höheren Lagen Wolken oder Nebel hatte. Was aber auch hier wieder ein Highlight war, waren die noch grösseren Hortensienhecken, welche in voller Blüte standen.
Die Marina in Velas liegt eingebettet in eine steile Felswand. Ein besonderes Naturspektakel bietet sich hier des Abends beim Eindunkeln. Cory’s Shearwater, der auf den Azoren am meisten verbreitete Vogel, ist tagsüber stets für Nahrungssuche auf dem Meer unterwegs und kehrt erst am Abend im Schutze der Dunkelheit zurück, um seine Brut zu füttern. Er gibt ein sehr charakteristisches Geschrei von sich. In Velas gibt es hunderte von diesen Vögeln, und ihr Geschrei, welches von der Felsenwand reflektiert und verstärkt wird, brachte uns oft zum Lachen. Auf YouTube gibt es gute Aufnahmen, eine Kostprobe findet man z.B. hier.
Ebenfalls verbreitet auf den Azoren sind eine Art natürliche Schwimmbäder. Es handelt sich um kleine Bereiche im Meer, welche durch günstige Felsformationen so geschützt sind, dass man dort gut baden kann. Meist sind diese Bereich dann noch gut ausgebaut, z.B. mit Treppen ins Wasser oder zusätzlichem Wellenschutz. Auch in Velas gibt es so ein Bad, welches wir besuchten. Es war das erste und letzte Mal, dass wir auf den Azoren im Meer badeten. Verwöhnt durch die warmen Wassertemperaturen der Karibik fanden wir die ungefähr 20 Grad dann doch ziemlich kalt.
Terceira
Von São Jorge hatten wir nach einer Woche genug gesehen und so segelten wir am 19. Juli weiter nach Angra do Heroísmo auf Terceira, deren Altstadt ebenfalls zum Weltkulturerbe der UNESCO gehört. Tatsächlich findet man hier viele schöne Bauten und Cafés, die zum Verweilen einladen, auch wenn der erste Eindruck der Stadt bei der Annäherung mit dem Schiff eher etwas negativ ist. Die Küste ist gesäumt von einer steilen Felswand, welche an den meisten Stellen mit Spritzbeton versiegelt wurde, wahrscheinlich um Steinschlag an der darunterliegenden Strasse zu verhindern. Zudem ziert die Felswand an einer Stelle ein riesiges Hotel in Form eines hässlichen Beton-Klotzes.
Zusammen mit Karen und Nigel von der englischen Segelyacht Persephone mieteten wir ein Auto, um die Insel zu erkunden. Wir hatten die beiden in Horta kennengelernt, als sie mit ihrem Schiff neben uns „im Päckchen“ lagen. Terceira bietet einige interessante natürliche Sehenswürdigkeiten. Da gibt es zum Beispiel den Ort Furnas do Enxofre, wo heisser Dampf aus dem Boden aufsteigt, der nach Schwefel riecht. Auch eine Höhle namens Algar do Carvão besuchten wir, welche über 100 Meter tief in den Berg hinab führt. Weitere Highlights waren der über 1000 Meter hohe Vulkan Santa Barbara, die Stadt Praia da Vitória, ein Grillabend im Parque Florestal auf dem Monte do Brasil, eine Halbinsel südlich von Angra sowie unsere persönliche kleine 1. August Feier.
Nach dreiwöchigem entspanntem Aufenthalt machten wir uns wieder auf den Weg und segelten über Nacht zur etwas weiter entfernten Insel São Miguel.
São Miguel
In den frühen Morgenstunden des 15. August erreichten wir Ponta Delgada. Es ist die grösste Stadt der Azoren und zieht eindeutig auch am meisten Touristen an, was sich an den vollen Strassen und Restaurants und an den vielen Festen zeigte. Mit Glück ergatterten wir kurzfristig noch ein günstiges Mietauto (üblicherweise waren sie alle mehrere Wochen im Voraus ausgebucht), und konnten so während zwei Tagen die Insel besichtigen. Leider war das Wetter genau in dieser Zeit nicht besonders stabil, wodurch vor allem die Berge stets in Wolken gehüllt waren. Es gab aber auch sonst genug zu sehen und die Insel begeisterte mit zahlreichen Sehenswürdigkeiten. Im Nachhinein können wir sagen, dass uns São Miguel von den besuchten Azoreninseln am Besten gefallen hat, obwohl natürlich alle Inseln sehr schön sind.
Eine Besonderheit von São Miguel sind die thermischen Quellen, welche aus dem Vulkangebiet warmes (stinkiges) Wasser zu Tage fördern und oftmals zu Bädern ausgebaut sind. Darauf freuten wir uns besonders. Zum einen besuchten wir die Thermalquelle Caldeira Velha, welche zwei Naturbecken (27 und 37 Grad) bietet. Etwas grösser sind die Bäder von Poça da Dona Beija in Furnas (28 und 39 Grad), die wir am zweiten Tag aufsuchten. In Furnas gibt es zudem einen weiteren Ort, an dem in mehreren Becken kochend heisses Wasser aus dem Boden sprudelt und viel Dampf aufsteigen lässt.
Besonders gefiel uns der südöstliche Teil der Insel, wo die Strasse, natürlich auch wieder gesäumt von wunderschönen Blumen, in der Höhe entlang der Steilküste führt und immer wieder sensationelle Ausblicke bietet. Diese Miradouros sind teils zu unglaublich schönen Pärken mit Grillstellen ausgebaut. Auch die Orte, durch die wir kamen, bieten schöne Bauten mit viel Charme.
Als eines der Highlights der Insel gilt der Vulkan bei Sete Cidades im Nordwesten der Insel. Der Ort Sete Cidades liegt im Krater neben den beiden Seen Lagoa Azul und Lagoa Verde. Die beiden Seen sind miteinander verbunden und nur durch eine Brücke getrennt, trotzdem schimmert der eine See in blau und der Andere in grün. Wir gelangten per Bus nach Sete Cidades und wollten dort ein bisschen wandern. Leider war das Wetter wiederum durchzogen, wodurch sich der Aufstieg zu einem bekannten Aussichtspunkt auf die Seen nicht lohnte. Also spazierten wir am Lagoa Azul entlang und entdeckten schliesslich einen Entwässerungsstollen, der bei viel Regen im Winter verwendet wird, um den Pegelstand der Seen zu kontrollieren. Neben dem Abflusskanal führte auch ein Weg durch den 1.2 Kilometer langen Tunnel, gerade genug breit und hoch für eine Person. Abenteuerlustig wie ich bin, schlug ich vor, hindurchzugehen und auf der anderen Seite der Strasse bis nach João Bom zu folgen, um dort den Bus zurück nach Ponta Delgada zu nehmen. Der Tunnel war stockdunkel, aber da wir Licht im Handy hatten und auch andere Leute durchgingen, beschlossen wir durchzugehen. In João Bom sollte der Bus dann um drei Uhr fahren. Wir warteten an der Bushaltestelle, und als um Viertel nach drei immer noch kein Bus kam, hielt ein Auto an. Die einheimische Frau fragte uns, ob wir nach Ponta Delgada wollten, und der Bus dahin sei bereits gefahren – an einer anderen Haltestelle. Na toll… Es war der letzte Bus! Da die Frau ihre gute Tat für jenen Tag noch nicht vollbracht hatte und sowieso Richtung Zentrum unterwegs war, nahm sie uns gleich mit. Wir sparten nicht nur die Fahrkarten, sondern kamen auch noch früher zu Hause an.
Gerne wären wir noch länger auf dieser Insel geblieben, doch ab dem 24. August zeigte sich ein gutes Wetterfenster, um Richtung Madeira hinunterzusegeln. Wegen dem guten Wind liessen wir auch die letzte Insel Santa Maria aus, verliessen an diesem Tag die Azoren und segelten zur kleinen Insel Porto Santo hinunter, welche gleich neben Madeira liegt. Der Wind war dann doch nicht immer so stark wie wir es gerne gehabt hätten, trotzdem war es eine angenehme und routinierte Überfahrt. An einem Tag biss wieder eine Makrele an, die für ein feines Fischmenü sorgte. Nach knapp vier Tagen erreichten wir die Marina in Porto Santo am 28. August.
Danke für den ausführlichen Bericht und die wunderschönen Fotos.
Inzwischen geniesst ihr wahrscheinlich die Blumeninsel Madeira.
Ich bin froh seid ihr rechtzeitig von der Karibik weggefahren, wenn man gehört hat,
wie schlimm der Hurrican Irna auf Saint-Martin und andern Inseln gewütet hat.
Hebid Sorg für die Weiterreise Richtung Kanaren.
Liebe Grüsse
Papi